Neuer Begriff des Sachmangels
Eine der wesentlichen Erneuerungen ist die Veränderung des Sachmangelbegriffs für Kaufsachen. Fortan ist eine Sache nach § 434 I BGB frei von Sachmängeln, wenn sie den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und bestimmten Montageanforderungen entspricht. Es fällt also auf, dass der Vorrang der vereinbarten Beschaffenheit aufgegeben wurde und nunmehr eine Gleichrangigkeit zwischen den subjektiven und objektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen besteht. Diese Anforderungen an die Kaufsache müssen nach der neuen Gesetzeslage kumulativ vorliegen. Dies hat zur Folge, dass eine Sache zukünftig auch dann mangelhaft ist, wenn sie zwar einer vereinbarten Beschaffenheit entspricht, jedoch die übliche Beschaffenheit nicht aufweist.
Es besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, dass Verkäufer und Käufer eine wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung treffen. Während eine solche zwischen zwei Unternehmern ohne weiteres vereinbart werden kann, unterliegt eine solche Vereinbarung bei Verbrauchsgüterkäufen den strengen Formvoraussetzungen des § 476 I S. 2 BGB. Danach muss der Unternehmer den Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrages davon in Kenntnis setzen, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht - mit anderen Worten: der Unternehmer muss dem Verbraucher ausdrücklich mitteilen, dass die Kaufsache schlechter ist, als der Verbraucher es eigentlich erwarten darf. Zusätzlich muss diese Abweichung ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.
Neue Vertragstypen
Zusätzlich zum Kaufvertrag über analoge Waren enthält das BGB nun zwei neue Vertragstypen, die es zu unterscheiden gilt - den Kaufvertrag über Waren mit digitalen Elementen (§§ 475 b ff. BGB) und den Kaufvertrag über digitale Produkte (§§ 327 ff. BGB).
Digitale Produkte sind nach § 327 I S. 1 BGB digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen, z.B. Streamingdienste.
Waren mit digitalen Elementen sind nach § 327 III S. 2 BGB dagegen körperliche Gegenstände, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können. z.B. Smartphones.
In den §§ 327 ff. BGB ist für Verbraucherverträge über digitale Produkte nunmehr ein eigenes Regelungssystem vorhanden, welches auch die Gewährleistungsrechte bei Mängeln regelt. Auf Kaufverträge über Waren mit digitalen Elementen ist dagegen das Kaufrecht unter Berücksichtigung der in den §§ 475 b ff. BGB enthaltenden Sonderreglungen anzuwenden. Diese Regelungen gelten unmittelbar nur im Verbraucherrecht, also zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Auswirkungen können diese allerdings auch auf mögliche Regressansprüche zwischen Unternehmern in der Leistungskette haben.
Eine trennscharfe Abgrenzung dieser beiden neuen Vertragstypen wird in der Praxis sicherlich nicht immer leicht fallen. Insbesondere bei typengemischten Verträgen wird mitunter die Beurteilung, ob eine Ware mit digitalen Elementen oder ein selbständiges digitales Produkt vorliegt, nahezu unmöglich sein. Häufig wird ein sog. Paketvertrag i.S.d. § 327 a I S. 1 BGB vorliegen, der ein Verbrauchervertrag ist, in welchem zwischen denselben Parteien neben der Bereitstellung digitaler Produkte zusätzlich auch die Bereitstellung anderer Sachen oder die Bereitstellung anderer Dienstleistungen vereinbart wurde.
Die §§ 327 ff. BGB sind dann nur auf diejenigen Bestandteile des Vertrages anwendbar, welche sich auf die digitalen Produkte beziehen.
Aktualisierungspflicht
Ferner ist nun in § 475 b IV Nr. 2 BGB eine Pflicht des Anbieters zur Bereitstellung von Software-Aktualisierungen und Sicherheitsupdates geregelt, um eine dauerhafte Nutzbarkeit der jeweiligen digitalen Inhalte zu gewährleisten. Diese Pflicht zur Aktualisierung gilt bei Dauervertägen für die gesamte Vertragslaufzeit, anderenfalls für einen Zeitraum, den Verbraucher vernünftiger Weise erwarten können, § 475 b IV Nr. 2 BGB.
Der Mindestzeitraum für die Bereitstellung von Updates beträgt zwei Jahre ab Gefahrübergang. Davon abweichende individuelle Vertragsvereinbarungen sind möglich, allerdings muss der Verbraucher ausdrücklich und gesondert zustimmen.
Kenntnis des Käufers von Mängeln
Nach § 442 BGB waren bisher Gewährleistungsansprüche des Käufers dann ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Bei Verbrauchsgüterkäufen ist diese Vorschrift nun nach § 475 III S. 2 BGB nicht mehr anzuwenden.
Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts für Unternehmer nach Rücktritt
Im Falle des Rücktritts durch den Verbraucher war es dem Verkäufer bisher möglich, die Rückzahlung des Kaufpreises zurückzuhalten, bis der Käufer die Kaufsache zurückgegeben hatte. Dieses Zurückbehaltungsrecht endet nun nach § 475 VI S. 2 BGB bereits, wenn der Verbraucher einen Nachweis darüber erbringt, dass er die Kaufsache zurückgesandt hat. Ausreichend sollte hierfür die Vorlage eines Einlieferungsbelegs der Post oder eines anderen Transportunternehmens sein.
Neue Regelung zur Fristsetzung
Zur Geltendmachung etwaiger Gewährleistungsansprüche bedarf es seitens des Verbrauchers in bestimmten Fällen nicht mehr einer ausdrücklichen Fristsetzung zur Nacherfüllung. Nach § 475 d I BGB und § 475 d II S. 1 BGB genügt in den dort aufgezählten Fällen fortan eine einfache Mitteilung des Mangels durch den Verbraucher an den Käufer, um automatisch eine angemessene Frist zur Nacherfüllung in Gang zu setzen.
Veränderung des Verjährungsbeginns
Auch die Gewährleistungsfrist hat eine Veränderung zugunsten des Verbrauchers erfahren. Zeigt sich bei Waren mit digitalen Elementen ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist, so tritt die Verjährung nunmehr nach § 475 e III BGB nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Sollte sich ein Mangel kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist zeigen, kommt es somit zu einer Verlängerung der sonst geltenden Gewährleistungsfrist.
Hat der Verbraucher die Ware zum Zwecke der Nacherfüllung oder zur Erfüllung von Ansprüchen aus einer Garantie dem Unternehmer oder auf Veranlassung des Unternehmers einem Dritten übergeben, so tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde.
Verlängerte Beweislastumkehr
Bisher wurde während eines Zeitraums von sechs Monaten nach Übergabe der Ware an den Verbraucher vermutet, dass ein sich während dieses Zeitraumes zeigender Mangel bereits zum Zeitpunkt des Kaufs vorlag und entsprechende Gewährleistungsansprüche auslöst. Dieser Zeitraum wurde nun nach § 477 I BGB auf einen Zeitraum von einem Jahr verlängert.
Nur beim Kauf von lebenden Tieren verbleibt es bei einem Zeitraum von sechs Monaten.
Strengere Voraussetzungen für Garantieversprechen
Eine Garantieerklärung muss nach § 479 I BGB einfach und verständlich abgefasst sein und künftig folgende Punkte enthalten:
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- Einen Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln (Gewährleistungsrechte) und, dass die Inanspruchnahme dieser Rechte unentgeltlich ist. Ferner muss darauf hingewiesen werden, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden.
- Name und Anschrift des Garantiegebers
- Das vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie
- Die Ware auf die sich die Garantie bezieht
- Die Bestimmungen der Garantie
Änderungen im Bereich des Lieferantenregresses
Beim Lieferantenregress wirken sich die Änderungen im Mängelgewährleistungsrecht ebenfalls aus.
Während die Möglichkeit eines Regresses in der Lieferantenkette bisher nur im Kaufrecht vorgesehen war, ist nunmehr ein solcher verschuldensunabhängiger Aufwendungsersatzanspruch auch für Verträge über digitale Produkte vorgesehen, vgl. § 327 u BGB. Danach kann der Unternehmer, welcher von einem Verbraucher wegen Gewährleistungsrechten in Anspruch genommen wird, sich wiederum an seinen Lieferanten wenden und sich schadlos halten.
Von dieser Vorschrift darf nach § 327 u IV BGB nicht zum Nachteil des Unternehmers abgewichen werden.
Unberührt bleibt hiervon jedoch die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 HGB. Sollte der Unternehmer also einen Mangel nicht unverzüglich untersuchen und gegenüber seinem Lieferanten rügen, so würde sein möglicher Regressanspruch gegen diesen untergehen.
Diese neuen Regelungen sind nach Art. 229 EGBGB, § 57 I grundsätzlich nur auf solche Verbraucherverträge anzuwenden, welche ab 01.01.2022 abgeschlossen wurden.
In Art. 229 EGBGB, § 57 II ist allerdings eine Ausnahme hierzu geregelt. Danach sind für vor dem 01.01.2022 abgeschlossene Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung von digitalen Produkten zum Gegenstand haben, ebenfalls die §§ 327 BGB in der neuen Fassung anzuwenden, wenn die vertragsgegenständliche Bereitstellung erst ab dem 01.01.2022 erfolgt.
Dies kann für Unternehmer zum Problem werden, denn die neue Regressmöglichkeit in § 327 u BGB gilt wiederum nur für Verträge, die ab dem 01.01.2022 abgeschlossen wurden. Es besteht also die Gefahr, dass ein Unternehmer von einem Verbraucher nach dem neuem Recht der §§ 327 ff. BGB in Anspruch genommen wird (weil die Bereitstellung erst im Jahre 2022 erfolgt), während er aufgrund eines Altvertrages mit seinem Lieferanten diesen nicht gleichzeitig in Regress nehmen kann. Dies ist einerseits dem Umstand geschuldet, dass nach alter Rechtslage kein gesetzlicher Regressanspruch für Verträge vorgesehen war, die keine Kaufverträge sind. Andererseits kennt das alte Recht auch keine Aktualisierungspflicht, sodass der Unternehmer diesbezügliche Mängel nicht bei seinem Vertriebspartner geltend machen kann. Diese war im Verhältnis zwischen dem Unternehmer und seinem Lieferanten schlicht nicht vorgesehen.
Bei Verträgen über Waren mit digitalen Elementen ist ein Lieferantenregress nach §§ 445 a BGB möglich. Obgleich die Verjährung der Regressansprüche nach wie vor frühestens zwei Monate nach Erfüllung der Ansprüche des jeweiligen Käufers eintritt, ist im Vergleich zur alten Rechtslage nunmehr keine Höchstdauer der Verjährungsfrist vorgesehen.
Die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gilt selbstverständlich auch bei Verträgen über Waren mit digitalen Elementen.
Anpassung von AGB an die neuen Regelungen
Die Unternehmen sind gezwungen ihre AGB an die neuen Regelungen anzupassen. Ferner ist Verkäufern dringend zu raten, dass ihre aus den neuen Regelungen resultierenden weitergehenden Pflichten in ihren Lieferantenverträgen Berücksichtigung finden - dies insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung zur fortlaufenden Bereitstellung von Updates.